Rechtstipp des Monats

dfa2018 Rechts-Tipp / Februar 2019

Rechts vor links? – Voraussetzungen für einen Vorfahrtsverzicht

Soweit eine besondere Regelung durch Verkehrszeichen fehlt, gilt an Kreuzungen grundsätzlich die allgemein bekannte Regelung „rechts vor links“. Damit lassen sich in der Regel sämtliche Verkehrssituationen an Einmündungen und Kreuzungen verlässlich regeln. Was aber, wenn ein Verkehrsteilnehmer auf die Vorfahrt verzichtet und es dann zu einem Unfall kommt?

Gerade im innerstädtischen Bereich außerhalb der großen Hauptstraßen kann es jedoch gelegentlich bei der Umsetzung dieser Verkehrsregeln Schwierigkeiten geben. Oftmals ist es aufgrund der räumlichen Gegebenheiten nicht möglich, als Vorfahrtsberechtigter vor dem wartepflichtigen Verkehr eine Kreuzung zu überqueren bzw. abzubiegen. Um den Verkehrsfluss auf der Kreuzung nicht vollständig zum Erliegen zu bringen, ist es in einem solchen Fall notwendig, dass ein eigentlich bevorrechtigter Fahrzeugführer auf sein Vorfahrtsrecht verzichtet.

An dieser Stelle tut sich für den an sich wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer in der Folge ein Problem auf. Für ihn stellt sich nämlich die Frage, unter welchen Voraussetzungen er tatsächlich davon ausgehen darf, dass der andere Pkw-Führer auf sein Vorfahrtsrecht verzichtet und ihm den Vorrang einräumt.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hatte in seinem Beschluss vom 23.11.2018 (Az.: 7 U 35/18) sich mit einem solchen Fall beschäftigen müssen. Eine Fahrradfahrerin befuhr eine verkehrsberuhigte Straße und wollte ihre Fahrt geradeaus über eine von rechts einmündende Straße hinweg fortsetzen. Der Kreuzungsbereich war nicht durch Verkehrsschilder geregelt. Der Unfallgegner näherte sich von rechts und hielt im Kreuzungsbereich an, da er seinerseits ein von rechts herannahendes Fahrzeug zu beachten hatte. Als er wieder anfuhr, kam es zur Kollision.

Das OLG Hamm wies die gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegte Berufung zurück und wies darauf hin, dass von einem Vorfahrtsverzicht, wie von Klägerseite behauptet, nur auszugehen sei, wenn der Berechtigte seinen Verzichtswillen in unmissverständlicher Weise zum Ausdruck bringt. Allein aus dem Umstand, dass der Berechtigte an der Kreuzung abgestoppt hat, lässt sich kein Vorfahrtsverzicht nach Auffassung des OLG ableiten. Bei „Irritationen“ müsse sich der Wartepflichtige eindeutig verhalten, so wie es die allgemeine Vorfahrtsregelung von ihm verlange. Ein Verzicht kann daher nur angenommen werden, wenn dieser eindeutig – beispielsweise per Geste – angezeigt wird. Bloßes Abstoppen reicht nicht aus.

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RA Andreas Holzer, Tätigkeitsschwerpunkt Versicherungsrecht
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dfa2018 Rechts-Tipp / Januar 2019

Wie Krankenstand effektiv senken?

 Ein hoher Krankenstand im Unternehmen ist häufig ein Ärgernis für den Arbeitgeber. Viele Arbeitgeber kennen jedoch gar nicht die Möglichkeiten, welche das Gesetz zur Verfügung stellt, um hierauf proaktiv einzuwirken. Ein solches Mittel, welches hier vorgestellt werden soll, ist die Auslobung und Zahlung einer Sonderprämie an die Arbeitnehmer und deren Kürzung bei u. a. krankheitsbedingter Arbeitsabwesenheit.

Der Gesetzgeber bietet mit § 4 a Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) dem Arbeitgeber eben diese Möglichkeit.

Um jedes Missverständnis von vornherein zu vermeiden, ist zu konstatieren, dass Kürzungsmöglichkeiten nur und ausschließlich in Bezug auf Sondervergütungen, z. B. einer sogenannten „Gesundheitsprämie“, und niemals bezüglich der regelmäßigen Arbeitsvergütung angewandt werden können.

Zunächst ist zu klären, was eine „Sondervergütung“ im Sinne der gesetzlichen Regelung ist. § 4 a EFZG definiert den Begriff der Sondervergütung als Leistung, „die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt". Diese Legaldefinition lässt offen, ob nur Einmalzahlungen oder auch laufende Zusatzzahlungen erfasst werden sollen. In der Regel werden Sondervergütungen solche Leistungen sein, die aus einem besonderen Anlass einmal oder zweimal jährlich ausgezahlt werden. In Betracht für eine solche Sondervergütung käme z. B. eine einmalig pro Kalender- oder Geschäftsjahr auszuzahlende „Gesundheitsprämie“, welche zur Motivation der Mitarbeiter ausgelobt wird.

Im Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Kürzungsmöglichkeiten zwischen den Vertragsparteien vereinbart sein müssen. Die gesetzliche Regelung umfasst dem Wortlaut nach nur Kürzungsmöglichkeiten für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit. Über weitere Verweisung bestehen Kürzungsmöglichkeiten aber auch bei Fehlzeiten, die auf Grund von Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation entstehen, für Fehltage aufgrund Arbeitsunfähigkeit, die auf einem Arbeitsunfall beruht sowie für Fälle der fehlenden Arbeitsleistung aus sonstigen Gründen, wie z. B. für jeden vollen Monat des Ruhens des Arbeitsverhältnisses im jeweiligen Kalenderjahr, bei Wehr-/Zivildienst, Elternzeit oder Sabbatical.

Die ausgelobte Sondervergütung, z. B. eine „Gesundheitsprämie“, kann aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, unentschuldigten Fehlzeiten sowie anderen Ruhenstatbeständen dann gekürzt werden, wenn eine ausdrückliche und unmissverständliche Vereinbarung hierzu zwischen den Parteien vorliegt. Dies kann im Arbeitsvertrag bzw. einer Ergänzung hierzu aber auch in einer Betriebsvereinbarung erfolgen.

 

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RA Carsten Fleischer, Tätigkeitsschwerpunkt Arbeitsrecht
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dfa2018Rechts-Tipp / Oktober 2018

Musterfeststellungsklage gegen VW – für wen es sich lohnt

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) wird am 01.11.2018 in Kooperation mit dem ADAC eine Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG einreichen. Gegenstand des Verfahrens wird die Problematik um die unzulässigerweise verbauten Abschalteinrichtungen in den Fahrzeugen mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 sein. Der vzbv und der ADAC begehren die Feststellung, dass VW damit die Käufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat und den Käufern deshalb Schadenersatz schuldet. Bevor wir Ihnen erklären, wie Sie sich dieser Klage anschließen können, wollen wir die Frage klären, ob eine Beteiligung für Sie überhaupt sinnvoll ist.

I. Was ist eine Musterfeststellungsklage?
Bei einer Musterfeststellungsklage handelt es sich um ein Klageinstrument, welches der deutschen Zivilprozessordnung bisher fremd war. Erst durch das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12.07.2018, welches am 01.11.2018 in Kraft tritt, wird die gesetzliche Grundlage geschaffen. Danach dürfen die in § 606 ZPO n. F. bezeichneten „qualifizierten Einrichtungen“ die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen zwischen Verbrauchern und einem Unternehmen begehren. Vereinfacht gesagt: Der vzbz darf für die betroffenen Käufer gerichtlich klären lassen, ob VW den Käufern Schadenersatz schuldet. Nach bisherigem Recht musste diese Frage von jedem Käufer selbstständig auf dem Rechtsweg geklärt werden.

II. Schuldet mir VW nach erfolgreichem Ausgang der Klage Schadenersatz?
Ein klares Jein. Die Musterfeststellungsklage klärt nur das „Ob“, nicht das konkrete – auf Ihren Einzelfall bezogene – „Wie“. Was bedeutet das? Das Musterverfahren kann nur zu der Feststellung führen, ob VW Ihnen Schadenersatz schuldet. Das „Wie“ hängt aber von individuellen Faktoren ab. Welchen Kaufpreis haben Sie für Ihr Fahrzeug bezahlt? War es ein Neu- oder Gebrauchtwagen? Wie viele Kilometer sind Sie mit dem Fahrzeug gefahren?
Diese und weitere Dinge können nicht für eine Vielzahl von Betroffenen in einem Musterverfahren geklärt werden. Deswegen kommen Sie auch bei erfolgreichem Ausgang des Musterverfahrens nicht drum herum, in einem gesonderten Einzelverfahren das „Wie“ klären zu lassen.

III. Welchen Vorteil bringt die Musterfeststellungsklage für Verbraucher?
Der für viele wichtigste Punkt dürfte die Kostenfrage sein. Wer sich als Betroffener der Musterfeststellungsklage anschließt, trägt kein Kostenrisiko. Man kann den Ausgang aus finanzieller Sicht insofern entspannt abwarten und muss nicht befürchten, dass man bei negativem Ausgang zur Kasse gebeten wird. Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus der Bequemlichkeit. Außer einer Anmeldung im entsprechenden Register (dazu unten mehr) müssen Sie nichts weiter veranlassen. Das heißt: kein Zusammensuchen von Unterlagen und kein Gang zum Anwalt.

IV. Für wen sich die Musterfeststellungsklage lohnt – und für wen nicht
Die Musterfeststellungsklage lohnt sich für alle, die über keine eintrittspflichtige Rechtsschutzversicherung verfügen. In diesen Fällen würden die Betroffenen das gesamte Kostenrisiko einer individuellen Klage tragen. Angesichts der nach wie vor uneinheitlichen Rechtsprechung und der erheblichen Streitwerte sind auch die Kostenrisiken enorm.
Falls Sie aber eine eintrittspflichtige Rechtschutzversicherung haben, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen und die individuelle Klage der Musterfeststellungsklage vorziehen. Die Musterfeststellungsklage bietet für Sie dann keinen Vorteil. Im Gegenteil: Durch die individuelle Klage sparen Sie viel Zeit.

V. Was muss ich machen, um mich der Musterfeststellungsklage anzuschließen?
Das Bundesamt für Justiz (www.bundesjustizamt.de) wird nach Erhebung der Klage ein Register führen. Sie müssen sich lediglich in dieses Register eintragen. Die Eintragung ist für Sie kostenlos. Sie können sich bis zum Ablauf des Tages vor Beginn der mündlichen Verhandlung eintragen.

Detailinformationen:
RA Lukas Kucklick, Tätigkeitsschwerpunkt Verkehrsrecht
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dfa2018 Rechts-Tipp / November 2018

Kopfnoten in wichtigen Schulzeugnissen nicht verfassungsgemäß

Mit diesem Beschluss (Az.: 5 L 607/18) sorgte das Verwaltungsgericht (VG) Dresden am 26.11.2018 für Furore und dürfte nicht wenige Schüler glücklich gestimmt haben.

Was war geschehen? Ein Zehntklässler einer Oberschule klagt derzeit vor dem VG Dresden auf Entfernung der Kopfnoten aus dem Zeugnis der 9. Klasse, mit welchem er sich während des laufenden Schuljahres um einen Ausbildungsplatz bewerben wollte.
Das Gericht begründet die Entscheidung – zunächst im einstweiligen Rechtsschutzverfahren – damit, dass Kopfnoten in Zeugnissen, welche für Ausbildungsbetriebe oder Arbeitgeber von Interesse sind, einen Eingriff in die Berufsfreiheit eines Schülers, und damit in das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes, darstellen. Denn ein Schüler mit schlechteren Kopfnoten erhält seinen gewünschten Arbeitsplatz dadurch möglicherweise nicht. In der Tat spielen die Kopfnoten bei Arbeitgebern keine untergeordnete Rolle, da hierüber der ein oder andere Charakterzug des Bewerbers zu erkennen sei. Über wesentliche Eingriffe in Grundrechte habe jedoch der Gesetzgeber zu entscheiden. Der Sächsische Landtag hat bislang keine Norm geschaffen, die Kopfnoten ausdrücklich erwähne. Lediglich das Sächsische Staatsministerium für Kultus habe Bestimmungen über Kopfnoten in die Schulordnung aufgenommen – dies sei nicht ausreichend.

Der Kläger erhält nun bis zur Entscheidung in der Hauptsache, dem Klageverfahren, ein Zeugnis der 9. Klasse ohne Kopfnoten. Es bleibt abzuwarten, ob gegen den Beschluss Beschwerde zum Sächsischen Oberverwaltungsgericht Bautzen eingelegt wird.

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RA Clemens Biastoch, Tätigkeitsschwerpunkt Verkehrsrecht
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dfa2018Rechts-Tipp / September 2018

Das Arbeitszeugnis – ein immer wiederkehrendes Reizthema!

Wenn, aus welchem Grund auch immer, ein Arbeitsverhältnis endet, so wünscht der Arbeitnehmer verständlicherweise eine möglichst positive Darstellung seiner Arbeitsleistung im Arbeitszeugnis. Ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines solchen ergibt sich sowohl aus § 630 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) als auch aus § 109 GewO (Gewerbeordnung). Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis, welches Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit sowie darüber hinaus auch Angaben zu Leistung und Verhalten erteilt.

Regelmäßig entbrennt jedoch zwischen den früheren Arbeitsvertragsparteien Streit, in welcher Form das Zeugnis zu erteilen ist.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat in einem Urteil vom 09.11.2017 zuungunsten eines Arbeitnehmers entschieden, dass kein (genereller) Anspruch auf ein ungeknicktes und ungetackertes Arbeitszeugnis bestehe.

Es war zwischen den Parteien dieses Verfahrens u. a. ein Streit über die Form des Zeugnisses, insbesondere darüber, ob ein mehrseitiges Arbeitszeugnis durch Verwendung einer Tackerklammer zusammengeheftet werden und ob dieses darüber hinaus noch einen Knick in der linken oberen Ecke, ein sogenanntes „Eselsohr“, haben darf.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz erteilte dem Kläger hierbei mit folgendem Leitsatz eine klare und deutliche Absage:

„Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf ein ungeknicktes und ungetackertes Arbeitszeugnis.“

Dies wurde mit der wohl als mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu bezeichnenden Sichtweise begründet:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts … erfüllt ein Arbeitgeber einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses auch mit einem Zeugnis, das er zweimal gefaltet, um den Zeugnisbogen in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen, wenn das Originalzeugnis kopierfähig ist und die Knicke im Zeugnisbogen sich nicht auf den Kopien abzeichnen.“

Fazit: Es ist höchst ärgerlich, wenn man nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeberseite ein Arbeitszeugnis übersandt bekommt, welches, nach persönlichem Empfinden der hohen Bedeutung dieses Dokumentes schon in der Form nicht nachkommt. Dennoch sollte man zunächst vom Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen lassen, ob tatsächlich ein Anspruch auf Korrektur des Zeugnisses, sowohl inhaltlich als auch der Form nach, besteht. Nicht selten verstecken sich in schon „liederlich“ ausgefertigten Arbeitszeugnissen anderweitige korrekturbedürftige Form- und Inhaltsfehler.

Detailinformationen:
RA Carsten Fleischer, Tätigkeitsschwerpunkt Arbeitsrecht
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